BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dr. Richard RALFS

 

UrheberRECHT in der digitalen Gesellschaft - filterfrei und fair!

 

DARUM GEHT'S

Wie können Kreative angesichts der digitalen Wirklichkeit (verlustfreie und beliebig teil- und verarbeitbare Kopie) Herr über ihre Werke bleiben (d.h. über Nutzung/Verwertung entscheiden) und fair an Erlösen beteiligt werden, die andere mit ihren Werken erzielen? Die EU Kommission hat sich - spät aber doch – im September 2016 mit einer Gesetzesinitiative aufgemacht, hier eine tragfähige Lösung zu erarbeiten, um ein europäisches Level Playing Field und faire Bedingungen für Kreative bzw. Rechteinhaber einerseits, und Nutzer digitaler vernetzter Medien, NGOs und den aufstrebenden kleinen und mittleren Digitunternehmen andererseits zu gestalten. Was dabei nach 2,5 Jahren erbittertem Streit laut dem Trilog-Ergebnis nun herauskommen soll, ist aber aus vielerlei Gründen mehr Problem als Lösung und es tobt die vielleicht größte Lobby- und Stakeholderschlacht seit der DSGVO-Erarbeitung und den Acta-Protesten, insbesondere um die dann unvermeidlichen Uploadfilter und deren Auswirkungen auf freie Meinungsäußerung, Vielfalt, Chancen für kleine Unternehmen/Plattformen, etc.

 

ES BRAUCHT EINEN NEUEN ANSATZ

So sehr ich die Kritik von Julia Reda teile und ich mich einreihe in die Argumentation der Kritiker des Trilog-Ergebnisses und der Bewertung der tragischen Rolle von Axel Voss dabei: Statt immer nur die Quadratur des Kreises zu fordern und die Fehler und Probleme der drohenden Verschlimmbesserung durch die finale Fassung von Artikel 13 zu erklären, braucht die kritische Gegenposition zum Trilog-Ergebnis endlich auch durchbuchstabierte Gegenvisionen. Es braucht konkrete alternative Lösungsvorschläge, die nicht nur an Details herumdoktorn (komplizierte Ausnahmeregeln etc.), sondern ganz anders ansetzen und so unnötige Probleme vermeiden und anschlussfähig zur etablierten Rechtssystematik bleiben. Die Kulturflatrate war so etwas, wenn auch eher eine Globalalternative als eine Lösung, denn sie verabschiedete sich einfach ganz von der Idee, Urheberrechte im Digitalen überhaupt noch spitz abzurechnen. Pauschal statt komplex. Ausgleichen statt Regeln. Damals nicht ohne Reiz, ein spannender neuer Ansatz, aber einer, der von der Zeit und dem Markt mit den kommerziellen Flatrates, die wir nun Streamingdienste nennen (Spotify, Netflix, etc.), längst eingeholt wurde.

Braucht es dann überhaupt noch eine weitere Regelung oder hat der Markt die Interessengruppen so im Win-Win zueinander gebracht? Angesichts der ungleichen Machtverhältnissen zwischen Kreativen samt Verwertungsgesellschaften auf der einen und den monopolistischen Netzgiganten auf der anderen Seite muss man feststellen, dass der Markt hier nicht funktioniert und die Kreativen bzw. Rechteinhaber den Monopolisten schlicht ausgeliefert sind. Und für solche Fehlentwicklungen des Marktes durch Monopole braucht es - in bester ordoliberaler Tradition - staatliche Rahmensetzung, um ein faires und nachhaltiges Level Playing Field und echtes Win-Win zu erreichen. 

Für den Diskurs über eine solche Rahmensetzung im europäischen Raum jenseits der - vielfach und grundsätzlich kritisierten Ideen sensu Voss - möchte ich hier kurz skizzieren, welche Grundlagen es braucht und welche Regeln denkbar wären, um ein filterfreies und faires UrheberRECHT zu gestalten.

 

WIE ES GEHEN KÖNNTE: AUTOMATED NOTICE & TAKEDOWN

Grundlagen und Rechtssystematik - Hierauf ist zu achten

Gegenstand, Meinungsfreiheit und Generalverdacht: Erst eine tatsächlich veröffentlichte (potentiell monetarisierte) unlizenzierte Werksnutzung (außerhalb von definierten Schranken) wäre ein Urheberrechtsverstoß, der einen Eingriff in die Freiheit Inhalte zu veröffentlichen (Meinungsfreiheit), rechtfertigen würde, nicht bereits die grundsätzlich gegebene Möglichkeit, dass dies jemand tun könnte. Deshalb wird auch nicht jeder, der ein Messer in die Hand nehmen will, prophylaktisch daran gehindert, nur weil man mit Messern in der Hand auch Töten könnte. Eine Vorfilterung von Inhalten, die jemand veröffentlichen möchte, ist entsprechend nicht angemessen, auch weil alle Uploader so unter Generalverdacht gestellt würden, obwohl es keinen jeweils konkreten Anlass gibt, dass Werkrechte verletzt zu werden drohen. Es werden ja auch nicht alle Fahrzeuge im Straßenverkehr anlasslos permanent überwacht, weil jemand gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen könnte (und das, obwohl es hier oft genug um Leib und Leben geht, nicht um unlizenzierte Hintergrundmusik bei Urlaubsvideos auf Youtube).

Hostproviderprivileg: Alle Internetseiten, auf denen Besucher/User Inhalte hochladen können (nutzergenerierte Inhalte, der Normalfall seit dem WEB2.0), wie z.B. Foren, Portale oder Plattformen jeder Größe/Art, sind von ihrem Wesen her nur Überbringer (Provider) und damit in der Rechtsbeziehung zwischen Uploader und Rechteinhaber nur Intermediäre. Diese bieten zwar mit ihrem Angebot (Forum, Plattform, xy) eine Gelegenheit, auch nichtlizensierte Werke zu veröffentlichen, tun dies aber nicht selbst oder intensional. Exakt so wie die Post ein Provider für Briefe/Pakete ist, in denen auch z.B. Diebesgut stecken kann, die Post damit aber nicht selbst zum Dieb oder auch nur zum Hehler (wissentlich an Rechteverstoß Mitverdiener) wird. Es gilt das Providerprivileg: Der Überbringer (Provider) muss nicht für das Überbrachte (Inhalt/Nachricht) einstehen.

Verursacherprinzip, Strafmaß und hoheitliche Aufgaben: Es ist der Absender, der Uploader, der ohne Lizenz dazu Werke von Anderen für Dritte verfüg- und nutzbar macht. Das verstößt gegen das Urheberrecht und ist somit eine strafbare Handlung. Ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, aus welchen Motiven heraus, von wem und in welchen Zusammenhängen und mit welchen Folgen sind Kriterien, die in einem modernen Rechtsstaat das Maß der Strafe modifizieren und es sind ordentliche Rechtsstrukturen, denen diese Entscheidung übertragen wird, wenn keine aussergerichtliche Einigung erreicht werden kann.

Mitwirkungspflicht: Ein Provider bzw. Intermediär – etwa eine Plattform mit nutzergenerierten Inhalten – hat bei Kenntnis von Rechtsverstößen auf seiner Plattform durch deren Nutzer die Pflicht mitzuwirken, den Rechtsverstoß im Rahmen seiner Möglichkeiten abzustellen. Tut er dies nicht und profitiert wohlmöglich noch von einem ihm bekannten Rechtsverstoß, ist das vergleichbar der Hehlerei und muss entsprechend bestraft werden. Diese Mitwirkungspflichten sind möglichst genau und ausgewogen (Interessenausgleich, keine Überforderung) gesetzlich zu regulieren inkl. entsprechender (skalierbarer) Sanktionsmechanismen. Verpflichtend muss die Mitarbeit an der Rechtsklärung innerhalb zumutbarer Fristen sein. Auslöser der Mitwirkungspflicht ist die eigene oder von außen herangetragene Kenntnisname (Notice) über einem vermuteten Rechtsverstoß. Reaktion nach kurzer Phase der Einspruchsmöglichkeit für den Uploader und Klärungsmöglichkeit mit dem Rechteinhaber die Depublikation des fraglichen Inhalts durch den Provider sein (Takedown) .

Privatrecht: Es geht bei der Frage von Urheberrechtsverstößen um die Rechtsbeziehungen zwischen rechtlich – nicht zwingend auch wirtschaftlich – gleichgestellten Rechtssubjekten (natürliche Person, juristische Person). In Analogie zur grundlegenden Systematik im Privatrecht muss dabei ein vermeintlich Geschädigter (Kläger) eine Rechtsdurchsetzung anstoßen und dafür Belege einreichen, aus denen ersichtlich wird, wer (Beklagter) inwiefern seine Rechte beschnitten hat. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Rechtsbeziehungen zwischen rechtlich gleichgestellten Rechtssubjekten (hier zwischen Rechteinhaber und Uploader) anlasslos in Hinblick auf potentielle Rechtsverstößen zwischen diesen zu überwachen oder einem Provider/Intermediär abzuverlangen. Um Ordentliche Gerichte zu entlasten und eine niederschwellige und schnelle Einigung zwischen Kläger und Beklagtem zu erreichen, sind die Einrichtung von Clearingstellen oder Ombutsleuten ein bewährtes Mittel. 

Schranken: Um marktrelevante unberechtigte Nutzung fremder Werke zum persönlichen (Rechtsperson) Vorteil klar zu unterscheiden von Nutzungen, die vor allem dem Gemeinwohl zu Gute kommen, müssen Wissenschafts-, Kunst/Remix-, Bagatell-, xy-Schranken definiert werden, die definierte nicht lizensierte Nutzungen frei stellen und klar von unberechtigten Nutzungen unterscheiden.

 

Kernpunkte eines alternativen Modells konsequenter und verhältnismäßiger Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen

• Statt – wie im Trilog-Ergebnis – das Providerprivileg und Verursacherprinzip aufzugeben, indem Intermediäre haftbar gemacht werden für Urheberrechtsverletzungen von Nutzern und so – zur Vermeidung von Haftung – quasi (spätestens nach 3 Jahren) alle Plattformen/Foren/xy dazu zu zwingen, anlasslos und unter Generalverdacht alle Uploads vor Veröffentlichung auf eventuelle Urheberrechtsverletzungen zu prüfen (was faktisch nur durch automatisierte Filter geht), ist im Sinne des Privatrechts das Anstoßen einer Überprüfung eines vermeintlich erlittenen Unrechts durch Dritte und das dazu Bereitstellen von tragfähigen Belegen Aufgabe des Rechteinhabers (vermeintlich Geschädigten).

• Überprüfung und Belege können sich dabei grundsätzlich nur auf veröffentlichte Inhalte beziehen. Und eine solche Prüfung kann – realistischer Weise – aus Gründen des Umfangs der zu prüfenden Datenbanken und Plattformen eigentlich nur automatisiert realisiert werden. Statt Filtertechnologie seitens der Plattformen müssten dazu Searchbots/Webcrawler zum Auffinden und Belegen von vermeintlichen Rechtsverstößen seitens der Rechteinhaber eingesetzt werden. Und diesen Bots müsste – im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Intermediäre – zumindest ab einer gewissen Größenordnung der Abfragen ein direkter Zugang (API) zu den Datenbanken des veröffentlichten Materials bei den Plattformen gewährt werden (also z.B. den Searchbots einer Verwertungsgesellschaft XY bei Youtube). Verhältnismäßigkeitsschranken müssten hier festlegen, ab welcher Größenordnung (Volumen veröffentlichter Inhalte) ein Intermediär Rechteinhabern eine API bereitstellen muss, respektive bis zu welcher Größenordnung es für Rechteinhaber zumutbar ist (Verhältnismäßigkeit) anhand normaler Webcrawler das Webangebot einer Plattform auf evtl. Rechteverletzung zu durchsuchen.

• Um veröffentlichte Inhalte mit den Merkmalen lizensierungspflichtiger Inhalte automatisiert durch Bots vergleichen zu können, müssen natürlich auch bei diesem Modell seitens der Rechteinhaber Datenbanken mit gekennzeichneten (ID/hash) Inhalten, deren Nutzung nicht gemeinfrei sein soll, zusammengestellt und gepflegt werden. Vom Rechteinhaber, der diesen Aufwand betreibt, können aber auf dem Rechtsweg Kosten – anteilig eben auch für die Beweissicherung – gegenüber dem Verursacher/Uploader eingefordert und im berechtigten Fall durchgesetzt werden. Je nach Schwere des Schadens (Häufigkeit, Folgenschwere) steht der Aufwand damit in Relation zum regelmäßig erzielbaren Forderungserfolg.

• Stellt ein Searchbot eines Rechteinhabers an der API eines Intermediärs durch dessen Abgleich mit der Datenbank der Rechteinhaber eine vermeintliche Rechtsverletzung fest, muss dieser den Verdacht automatisch an den Intermediär melden (Notice). Und dieser muss im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht mit Kenntnis der Rechtebeanstandung sofort/automatisiert den Inhalt öffentlich sichtbar als "in Rechteklärung" flaggen und evtl. Werbung/Monetarisierung im direkten Umfeld des Inhalts einstellen. Gleichzeitig und ebenfalls automatisiert muss dann – zwecks Klärung – dem Uploader seitens des Providers eine enge Frist gesetzt werden (z.B. 48 Std.), dazu Stellung zu nehmen, etwa sich auf eine Schrankennutzung zu berufen. Diese Stellungnahme muss dann wieder automatisiert vom Provider zum Rechteinhaber gehen und auch dieser muss eine kurze Frist (48 Std.) bekommen, um entweder der fraglichen Nutzung zuzustimmen oder auf Takedown zu bestehen, was dann (1.) zur sofortigen Depublikation durch den Provider führt und (2.) zur Übergabe an eine Clearingstelle, die - paritätisch besetzt, seitens des Uploaders auch vertretbar durch NGOs - versuchen muss, binnen 4 Wochen eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, bleibt der Rechtsweg (der dann am bereits erarbeiteten Verhandlungsstand der Clearingstelle übernehmen und finalisieren kann). Sollte der Rechteinhaber der fraglichen Nutzung auf Grund der Stellungnahme des Uploaders zustimmen, muss der Provider den fraglichen Inhalt öffentlich sichtbar und dauerhaft auf "Rechte geklärt" umflaggen und darf auch wieder Werbung/Dienste (Monetarisierung) mit dem Inhalt verbinden. Sollte der Uploader innerhalb der ersten Rückmeldefrist nicht reagieren, muss der Provider vorsorglich depublizieren und dessen Kontaktdaten dem Rechteinhaber zur Verfügung stellen. Sollten diese unbrauchbar sein, müssten weitergehende Daten des Uploaders einer Datenschutz-Clearingstelle zur Verfügung gestellt werden (IP, xy), die dann darüber entscheidet, welche weiteren Daten an den Rechteinhaber gehen dürfen. Sollte sich der Uploader auch so nicht ermitteln lassen oder keine ladefähigen Daten vorliegen, bleiben die Inhalte offline und der Provider muss die ihm vorliegenden Userdaten (Stammdaten des Uploaders) in seinen Datenbanken als "Rechteklärung anhängig" flaggen und aktiv werden, sollten sich neue Daten zur Identität ergeben. Sollte in einer Einigung von der Clearingstelle festgestellt werden, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, muss dort eine Abwägung über Schaden, Motive, Umstände und dazu passende Höhe einer Entschädigungszahlung an den Rechteinhaber festgelegt werden (bei Monetarisierung unrechtmäßiger Werksnutzung durch den Uploader z.B. ein X-Faches der Monetarisierung, bei Bagatellfällen eine fixe Pauschale statt Abmahnlotto, gestaffelt bei Wiederholungsfällen, etc.). Willigt eine der beiden streitenden Parteien nicht in die von der Clearingstelle erarbeitete Bewertung ein, trägt diese das Klage-/Prozessrisiko.

 

Intendierte Folgen

• Wenn durch leistungsfähige Searchbots an den APIs der marktrelevanten Plattformen relativ zuverlässig, schnell und umfassend tatsächliche unrechtmäßige Veröffentlichungen aus dem marktrelevanten Netz verschwinden (automated Notice & Takedown), können Intermediäre/Plattformen an diesen auch nicht mehr als Trittbrettfahrer mitverdienen. Sie müssen sich also legale Wege überlegen, etwa durch Lizensierung, diese Inhalte doch/wieder auf ihre Plattformen zu bekommen, um dann/so mittels hinzugefügter Werbung/Dienste/xy wieder mitverdienen zu können. Die Wahrscheinlichkeit für legale Nutzung und Erlösteilhabe der Kreativen steigt durch Marktlogik, technische Wirklichkeit der digitalen Welt wird dabei aber nicht ignoriert sondern antizipiert.

• Bewährte Rechtsgrundlagen/Rechtssystematik bleibt bestehen, d.h. keine Sonderrechte oder staatliche Verwertungshilfen für Rechteinhaber in einer bestimmten Branche.

• Marktrelevanz/Erheblichkeit und das Verhalten des Schadensverursachers (Motive, Umstände, Verhalten im Klärungsverfahren etc.) eines Rechteverstoßes sind so Grundlage für die Folgen des Handelns, nicht Entscheidungen auf Seiten nur indirekt beteiligter Dritter (Intermediäre).

• Für Monetarisierung/Rechteverwertung irrelevante und/oder für das Gemeinwesen besonders wichtige Nutzungen (Bagatellgrenzen, Schranken für Wissenschaft/Bildung, Kunst, xy) werden nicht verhindert und sind bei Beanstandung in spätestens 14 Tagen nicht nur wieder verfügbar, sondern auch als rechtlich geprüft geflagged/sichtbar.

 

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