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Mit der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche werden die großen Fragen der Moderne neu gestellt: Etablierte ökonomische, politische, soziale und kulturelle Strukturen, eingespielte, historisch erkämpfte Zielkonfliktlösungen und Interessenausgleiche zwischen Individuum und Gesellschaft und zwischen gesellschaftlichen Gruppen werden disruptiv aufgebrochen.
Die Digitalisierung ist dabei einerseits das Versprechen, durch Verdatung der Welt und durch Vernetzung der Daten und Automatisierung der Datenverarbeitung die Welt besser verstehen und gestalten zu können. Sie ermöglicht uns genauer, schneller, umfassender und evidenzbasierter miteinander und mit der Umwelt umzugehen. Sie ist so etwas wie die Chance auf eine neue Epoche der Menschheit, auf eine Aufklärung2.0. Gleichzeitig zwingt sie uns durch diese disruptive Kraft, die alten Fragen der Moderne nach Freiheit, Gleichheit/Gerechtigkeit, Schwesterlichkeit und Vernunft/Sinn neu zu beantworten und unseren Weg in einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft unter neuen Bedingungen neu zu finden.
Utopie und Dystopie liegen hier nahe beieinander, denn der neue Werkzeugkasten, die neuen Technologien bringen ganz neue Probleme mit sich, folgen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und können ohne politisch kompetente Gestaltung und ethischen Kompass genauso zu mehr und neuem Leid, mehr und neuer Ungerechtigkeit führen: Die Digitalisierung setzt neue Standards und Strukturen, denen wir uns kaum entziehen können. Datenschutz und Datennutz stehen im Zielkonflikt. Und so sehr, wie unser ganzes Leben verdatet wird, so sehr verlieren wir auch die Kontrolle über unsere Daten und somit über unser digitales Leben. Entsprechend wichtig ist es, unsere informationelle Selbstbestimmung und digitale Souveränität aufrecht zu erhalten und den Zugang zu Daten fair zu regulieren. Denn wer über Daten verfügt, kann über uns verfügen und seine Interessen besser verfolgen. Daten bedeuten Wissen und somit Macht. Ob Staat oder Unternehmen: Alles, auch wir werden anhand von Daten eingeordnet, ausgewertet und bewertet, wir werden zum Objekt von anonymen und zunehmen automatisierten Datenverarbeitungsprozessen und sind so immer weniger selbstbestimmtes Subjekt.
Für uns ist klar, dass auch in der digitalen Gesellschaft Grundrechte und demokratische Prinzipien gelten und durch die Herrschaft des Rechts geschützt werden müssen. Genauso klar ist uns aber, dass die neuen Bedingungen in einer digitalen Gesellschaft ein neues ausdefinieren und konkretisieren unserer Grundrechte in Bezug auf die neuen, erst durch die Digitalisierung entstandenen Phänomene und Zielkonflikte bedarf. Genau diesen Ansatz verfolgt auch das Projekt „Digitalcharta“, initiiert von einer Gruppe von 27 Experten der Zivilgesellschaft, Politikern, Wissenschaftlern, Schriftstellern, Journalisten, Medienmanagern und Bürgerrechtsaktivisten, das wir als Partei unterstützen und dessen Anspruch auf mindestens europaweite Geltung wir teilen.
Wir bekennen uns in diesem Sinne zu einer digitalen Grundrechtecharta, die in Ergänzung zur Europäischen Grundrechte-Charta und Datenschutzgrundverordnung wie folgt bestimmt:
· Die Würde des Menschen ist auch im digitalen Zeitalter unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen. Keine technische Entwicklung darf sie beeinträchtigen.
· Jeder Mensch hat ein Recht auf freie Information und Kommunikation. Es beinhaltet das persönliche Recht auf Nichtwissen.
· Jeder Mensch hat das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe in der digitalen Sphäre. Es gilt das in der Europäischen Grundrechte-Charta formulierte Diskriminierungs-Verbot. Die Verwendung von automatisierten Verfahren darf nicht dazu führen, dass Menschen vom Zugang zu Gütern, Dienstleistungen oder von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere im Bereich Gesundheit, Schutz vor elementaren Lebensrisiken, Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnen, Recht auf Bewegungsfreiheit und bei Justiz und Polizei.
· Jeder Mensch hat das Recht, in der digitalen Welt seine Meinung frei zu äußern. Eine Zensur findet nicht statt. Dieses Recht findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Betreiber öffentlicher Diskursräume tragen Verantwortung für den Schutz der Meinungsfreiheit. Sie haben die Beachtung der in dieser Charta aufgeführten Grundrechte und Pflichten nach Maßgabe der Gesetze zu gewährleisten.
· Ethisch-normative Prinzipien dürfen nur vom Menschen aufgestellt, und Entscheidungen, die in Grundrechte eingreifen, nur von Menschen getroffen werden. Automatisierte Entscheidungen müssen von natürlichen oder juristischen Personen verantwortet werden. Die Kriterien automatisierter Entscheidungen, etwa bei Profilbildung, sind offenzulegen. Wer einer automatisierten Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für seine Lebensführung unterworfen ist, hat Anspruch auf unabhängige Überprüfung und Entscheidung durch Menschen. Entscheidungen über Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheitsentzug dürfen nur von Menschen getroffen werden. Der Einsatz von künstliche Intelligenz und Robotik in grundrechtsrelevanten Bereichen muss gesellschaftlich begleitet und vom Gesetzgeber reguliert werden.
· Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zu Informationen staatlicher Stellen. Der Schutz insbesondere personenbezogener Daten ist zu gewährleisten. Das Transparenzgebot gilt auch gegenüber Privaten, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Hinweisgeber, die Informationen über Fehlverhalten einer Organisation offenlegen, sind angemessen zu schützen.
· Jeder Mensch hat das Recht auf den Schutz seiner Daten und die Achtung seiner Privatsphäre. Personenbezogene Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke beim Betroffenen erhoben und verarbeitet werden, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Die Datenverarbeitung muss sicher, fair, transparent und nach dem Stand der Technik gestaltet werden. Rechte auf Löschung, Berichtigung, Widerspruch, Information und Auskunft sind zu gewährleisten. Jeder Mensch hat das Recht auf digitalen Neuanfang. Dieses Recht findet seine Grenzen in den berechtigten Informationsinteressen der Öffentlichkeit. Jeder Mensch hat das Recht, in seiner Wohnung frei und unbeobachtet zu leben. Jeder Mensch hat das Recht, seine Daten und Kommunikationen durch Wahl geeigneter Mittel gegen Kenntnisnahme Dritter zu schützen. Eine anlasslose Überwachung findet nicht statt. Die Einhaltung dieser Rechte wird von unabhängigen Stellen überwacht.
· Die Unversehrtheit, Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und Infrastrukturen ist sicherzustellen und angemessen technisch und organisatorisch zu gewährleisten.
· Das Recht, an öffentlichen Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen, darf nicht an die Nutzung digitaler Medien gebunden werden.
· Jeder Mensch hat das Recht auf freien und gleichen Zugang zu Kommunikations- und Informationsdiensten, ohne dafür auf grundlegende Rechte verzichten zu müssen. Dieser Zugang ist flächendeckend, angemessen und ausreichend zu gewährleisten. Jeder Mensch hat das Recht auf eine nicht-personalisierte Nutzung digitaler Angebote. Einschränkungen dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage stattfinden.
· Netzneutralität ist diskriminierungsfrei zu gewährleisten.
· In der digitalen Welt sind Pluralität und kulturelle Vielfalt zu fördern. Interoperabilität und offene Standards sind zu fördern und zu bevorzugen. Marktmissbräuchliches Verhalten ist wirksam zu verhindern.
· Kinder, Heranwachsende, benachteiligte und besonders schutzbedürftige Menschen genießen in der digitalen Welt speziellen Schutz. Ihre Teilhabe an der digitalen Welt ist zu fördern und ihr Zugang zu elementaren Gütern und Dienstleistungen zu gewährleisten.
· Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung, die ein selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt ermöglicht. Dieses Ziel besitzt einen zentralen Stellenwert in den Lehrplänen von Bildungseinrichtungen.
· Der digitale Strukturwandel ist nach sozialen Grundsätzen zu gestalten. Im digitalen Zeitalter ist effektiver Arbeitsschutz und Koalitionsfreiheit zu gewährleisten.
· Jeder Mensch hat das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die aus der Schaffung und Verbreitung von immateriellen Gütern erwachsen. Dies muss in Ausgleich gebracht werden mit den Interessen der Allgemeinheit, dem technischen Fortschritt und den kreativen Prozessen in Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst.
Wie Tim Berners Lee, Lawrence Lessig, Ben Scott, Fred Turner, Jaron Lanier und viele andere Digitalpioniere fordern wir in unseren Parteitagsbeschlüssen und parlamentarischen Anträgen, dass Gewinnstreben und ungleiche Machtverteilung auch in der digitalen Gesellschaft nicht auf Kosten von Menschenrechten, Demokratie, wissenschaftlichen Fakten und öffentlicher Sicherheit gehen darf. Und wie stellen dabei vielfältig, konkret und kohärent klar, was digitalpolitisch dagegen zu tun ist.
Wir verstehen das gleichzeitige Ende des fossilen und des analogen Zeitalters als Beginn einer neuen Epoche, in der nach dem neoliberalen Irrweg der letzten Jahrzehnte die Aufgabe und Verantwortung von Politik wieder ins Zentrum des Schicksals unserer Erde rücken. Wir nehmen die Aufgabe an, den mit der Digitalisierung einhergehenden Strukturwandel als Chance zur Gestaltung statt nur Verwaltung von Gesellschaft wahrzunehmen. Dabei wollen wir genauso Agent des Fortschritts wie Agent des Gemeinwohls sein.
Technologie ist aus GRÜNER Sicht dabei nie Selbstzweck, sondern immer nur Werkzeug, um Zukunft zu gestalten. Es kommt also für uns immer darauf an, für welche Ziele und mit welchen Folgen man neue Technologien wie KI, IoT, Blockchain oder Quantencomputer einsetzt. Unser übergeordnetes Ziel ist auch in der Digitalpolitik eine Nachhaltigkeitsgesellschaft im Sinne der SDGs der UN; also eine Welt, in der sozialer Ausgleich und ökologische Verantwortung unser Handeln leiten. Wir wollen nicht „Bedenken second“ die Technologien und den Markt einfach mal machen lassen, sondern Technologien und Märkte mittels Regulierung und Anreizen in den Dienst des Gemeinwohls & der Nachhaltigkeit stellen. Denn wir wissen: Wenn wir nicht aktiv gestalten, dann werden wir gestaltet, von der Digitalisierung wie vom Klimawandel.
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